Politische Wasserspiele – kein Labsal

Politische Wasserspiele – kein Labsal1

In den späten 80er Jahren des letzten Jahrhunderts war ‚Krieg um Wasser‘ ein breites Thema.
Anerkannte, aber auch selbst ernannte Fachleute sorgten sich um die Versorgung der Bevölkerung und der Landwirtschaft mit dem lebensnotwendigen Wasser und zeichneten Konflikte um Wasser zwischen Staaten sowohl nach als auch vor.
Wenig später, in der 90er Jahren, prophezeiten diese Fachleute Kriege um Wasser, die Kriege um Öl ablösen werden.

Als junger Erwachsener in einem Land ohne Probleme mit der Wasserversorgung hielt ich das für denkbar, aber übertrieben.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Staatengemeinschaft ‚Krieg um Wasser‘ zulassen würde.

Ok, das war naiv.

Heute, gute zwanzig Jahre später, kann man an mehreren Stellen das Konfliktpotential von Wasser erkennen.
Und das nicht nur in wasserarmen Gebieten. Nein. Auch Deutschland, ein Land, in dem ausreichend Wasser vom Himmel fällt, um alle Menschen und die Natur auskömmlich zu versorgen, droht durch politische Entscheidungen und Verwaltungsakte zu einem Wasser-Problem-Land zu werden.

Das Jahr 2013 ist Jahr des Wassers; der 22. März ist Weltwassertag.
Im Dezember 2010 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2013 zum Internationalen Jahr der Zusammenarbeit zum Wasser. Der Tag des Wassers, der insbesondere die breite Öffentlichkeit auf die Bedeutung des Wassers für die Menschheit hinweist, wird jährlich am 22. März begangen.

Ohne jede Not machen sich vermutlich oder vermeintlich wohlmeinende Menschen daran, die Versorgung mit dem bei uns in ausreichendem Maße vorhandenen Wasser in einer Weise zu  reglementieren, die nicht den Menschen und der Natur hilft, sondern vorrangig Unternehmen und deren legitimen Gewinnabsichten in die Hände spielt.

  • Privatisierung der Wasserversorgung

    Der EU-Konzessionsrichtlinienentwurf2 will die kommunalen Wasserversorger weitgehend zwingen, die Leistungserbringung einer ihrer ureigenen Aufgaben, die Versorgung ihrer Kommunen mit Wasser, europaweit auszuschreiben.
    Öffentliche Aufgaben sollen EU-weit ausgeschrieben werden und dann nach betriebswirtschaftlichen Aspekten beauftragt  werden.

    Zu Ende gedacht bedeutet das die Privatisierung der Wasserversorgung.

    Große und finanzkräftige Konzerne werden sich diesen ‚Markt‘ aufteilen um schnellstmöglich ihre dann marktbeherrschende Stellung zur Steigerung ihrer Gewinne und möglicherweise zur politischen Einflussnahme einzusetzen.
    Die Versorgung der Menschen mit dem lebensnotwendigsten Gut überhaupt, mit Wasser, soll in private Hände gelegt werden und gewinnorientierten Maximen untergeordnet werden.
    Das alles wird von den Fürsprechern begründet mit den alten marktliberalen Argumenten, der ‚Markt‘ und der ‚Wettbewerb‘ machten die Wasserversorgung preisgünstiger und seien so zum Vorteil aller.
    Bekannte Gegenbeispiele wie die aus beispielsweise Portugal und Großbritannien, aber auch aus Berlin, zeigen jedoch, dass die gewinnorientierte Wasserversorgung niedrigere Qualität und steigende Preise zur Folge hat.

    Konzerne erzielen Gewinne – die wieder mal der Bürger bezahlt, mit seinem Geld und mit ’schlechterer‘ Wasserversorgung.

Was macht die deutsche Politik in dieser Sache?
Einen Antrag3 der Linken im Bundestag lehnte der Bundestag am 28.2.2013 ab.
Die konkrete Stimmenverteilung4 sah so aus:  122 Abgeordnete stimmte für den Antrag, 299 Abgeordnete stimmten gegen den Antrag, 124 Abgeordnete enthielten sich, 75 Abgeordnete gaben keine Stimme ab.
Aufgeteilt nach Parteien sah das Ergebnis der Abstimmung so aus:
CDU/CSU mit 237 Abgeordneten:  Ja:1, Nein:219, Enthaltung:2, nicht abgegeben: 15
SPD mit 146 Abgeordneten: Ja:0, Nein:1, Enthaltung:120, nicht abgegeben:25
FDP mit 93 Abgeordneten: Ja:0, Nein:79, Enthaltung:2, nicht abgegeben:12
Die Linke mit 75 Abgeordneten: Ja:62, Nein:0, Enthaltung:0, nicht abgegeben:13
B90/Die Grünen mit 68 Abgeordneten: Ja:58, Nein:0, Enthaltung:0, nicht abgegeben:10
Fraktionslose mit 1 Abgeordneten: Ja:1, Nein:0, Enthaltung:0, nicht abgegeben:0

CDU/CSU und FDP sind also für die Privatisierung der Wasserversorgung, für  weitere Profitfelder großer Konzerne und gegen nachhaltig sichere Versorgung aller Bürger mit Wasser zu einem gerechten Preis.
Die SPD zeigt sich vermeintlich meinungslos (um später im Bundesrat zuzuschlagen?).

 

  • Kanalprüfungspflicht

    Das am 5. März beschlossene Gesetz zur Änderung des Landeswassergesetzes setzt alle privaten Grundstücksbesitzer in die Pflicht, ihre Abwasserleitungen regelmäßig überprüfen zu lassen. Nachweise über die Prüfungen sind zu führen.
    Die Kosten hierfür werden auf zwischen 300.- und 3.000.- Euro geschätzt.
    Begründet wird diese neue Pflicht mit dem Schutz des Grundwassers.
    Hätten sich bis zum heutigen Tage nennenswerte Grundwasserbeeinträchtigungen durch undichte private Abwasserleitungen gezeigt, wäre diese Pflicht als selbstverständlich zu beurteilen.
    Aber genau solche nennenswerten Beeinträchtigungen des Grundwasser sind eben nicht bekannt.
    Es wird also – ohne Not und ohne Anlass – ein Generalverdacht über alle Grundstückbesitzer ausgesprochen.
    Obwohl bislang kein einziger Fall bekannt ist, bei dem ein undichtes Abwasserrohr auf einem Privatgrundstück zu einem Umweltschaden geführt hat.5
    Es stellt sich die Frage, ob dieses Vorgehen ideologisch motiviert oder von Interessengruppen geleitet ist.
    Einer grundsätzlichen umweltpolitischen Richtung folgt dieses Vorgehen jedenfalls nicht.
    Denn bekannte Probleme wie beispielsweise die in der Nähe einer Trinkwassergewinnungsanlage ausgelaufenen 1 Millionen Liter Kerosin einer Raffinerie in Wesseling bei Köln stellen laut Bezirksregierung keine Gefahr dar.
    Die Folgen von bekannten und nachgewiesenen Leitungsundichtigkeiten bei Unternehmen werden verharmlost.
    Die noch nie nachgewiesenen – also fiktiven – Folgen von Undichtigkeiten privater Abwasserleitungen werden als Grund für eine Gesetzesänderung genommen, die hunderttausende von Grundstücksbesitzern unter Generalverdacht stellt und mit unnötigen hohen Kosten belastet.

 

  • Fracking

    Peter Altmaier und Philipp Rösler haben sich in Sachen Fracking in Deutschland geeinigt.
    Das war eine Meldung gegen Ende Februar dieses Jahres.
    Es haben sich also der Bundesumweltminister und der Bundeswirtschaftsminister geeinigt, wie Fracking in Deutschland durchgeführt werden kann und soll.An dieser Stelle könnte ich aufhören, über das Thema zu schreiben.
    Die Meldung sagt eigentlich schon alles.

    Der Einsatz einer mehr als umstrittenen Gas-Fördermethode in Deutschland wird also zwischen umweltpolitischen Notwendigkeiten und wirtschaftlichen Interessen verhandelt.

    Klartext: für Geld werden Umweltinteressen geopfert.

    Für eine vorübergehende Versorgung mit nicht-nachwachsenden Energieträgern werden mögliche Umweltbelastungen in Kauf genommen, die Generationen nach uns betreffen und beschädigen können.

Hatten wir das nicht schon einmal?
Sind wir und unsere politisch Handelnden lernresistent oder einfach nur borniert?

  • Wir erlauben Privatunternehmen, die Erde unter unseren Füssen aufzubrechen.
  • Wir erlauben Privatunternehmen,  ein Chemiegemisch in unsere Erde zu pumpen, dessen Zusammensetzung wir noch nicht einmal genau kennen und dessen Auswirkung auf das Grundwasser dementsprechend völlig unklar ist.
  • Wir erlauben das den Unternehmen, ohne ein Konzept zur Lagerung des Chemiecocktail-haltigen Rückflusses zu kennen, geschweige denn geprüft zu haben?
  • Wir zwingen Privatleute ohne konkreten Anlass, ihre Abwasserrohre prüfen zu lassen, damit kein Tropfen Pipi in unsere Erde fließt. Unabhängig davon, dass ein konkreter Schaden von austretendem privaten Abwasser nicht einmal ansatzweise nachgewiesen ist.
  • Und wir erlauben Privatunternehmen, mittelfristig die Hoheit über unsere Wasserversorgung zu übernehmen.

 

Schöne neue Welt, in der Unternehmen möglicherweise erst gewinnträchtig unser Wasser vergiften, damit uns dann Unternehmen genießbares Wasser teuer verkaufen, während Privatleute ihre höchstwahrscheinlich ungefährlichen Rohre mit hohem Kostenaufwand prüfen müssen.

 

EU – Deutschland – NRW im Jahre 2013

 

 

1) Labsal (Deutschlehrermodus, sorry): wurde 2006 zum viertschönsten bedrohten Wort der deutschen Sprache gewählt und bedeutet Wohltat, Erquickung, Erholung

2) EU-Konzessionsrichtlinienentwurf: http://www.eufis.eu/fileadmin/Dokumente/GesperrterBereich/Aktuelle_Politikprozesse/Konzessionsrichtlinie_02.pdf

3) Antrag der Linken zum EU-Konzessionsrichtlinienentwurf: http://dip.bundestag.de/btd/17/124/1712482.pdf

4) Stimmenverteilung Abstimmung im Bundestag: http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/grafik/index.jsp?id=213&url=/na/na/fraktion.form&controller=fraktion

5) Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Dichtheitsprüfung: http://www.presseportal.de/pm/66306/2395252/westfalen-blatt-das-westfalen-blatt-bielefeld-zum-thema-dichtheitspruefung

 

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