Welt-Frühgeborenen-Tag

Mal was anderes, für diesen Blog ungewöhnliches:

Heute ist zum 8. Mal der Welt-Frühgeborenen-Tag, initiiert von der European Foundation for the Care of Newborn Infants (Frühchen-Stiftung).

Kinder, die vor dem Ende der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, gelten als Frühchen.
Bei einem Geburtsgewicht von unter 500g beträgt die Überlebenswahrscheinlichkeit gerade mal 50%.
Bei einem Geburtsgewicht zwischen 1000g und 1500g immerhin schon gut 80%

Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 62482 Kinder ‚zu früh‘ geboren. (1)

Bei den besonders früh geborenen Frühchen bedeutet die Geburt extreme Belastungen für das Kind und die Eltern. Und natürlich für das Pflege- und Ärzteteam, auch wenn beispielsweise Perinatalzentren routiniert intensivmedizinisch betreuen.
Das Kind liegt im Brutkasten, meist beatmet oder mit Atemhilfe, die medizinische Überwachungsmaschinerie nimmt riesigen Raum ein, die Eltern und besonders die Mutter zermartern sich den Kopf über ihre Verantwortlichkeit für die zu frühe Geburt und finden sich in ihrer Zerissenheit zwischen Glück und Angst nicht zurecht.
Die Sorge um das Frühchen bestimmt die Tage und ihre Abläufe. Wenig Schlaf, lange Stunden neben dem Brutkasten mit zaghaften, vorsichtigen Berührungen durch ein kleines Durchgangsloch im Brutkasten, immer wiederkehrende Gespräche mit Pflegenden und Ärzten in der Hoffnung auf gute Nachricht und der Angst vor der schlechten Nachricht.
Neben die Sorge um das Frühchen gesellt sich bei Eltern mehrerer Kinder das Gefühl, das oder die Geschwisterkinder zu vernachlässigen. Das Elternteil, das sich in oder nahe dem Krankenhaus ein Zimmer nimmt, um möglichst viel und im immer befürchteten Notfall möglichst schnell beim Kind zu sein, ist zerissen von den Verantwortlichkeiten. Hier das Neugeborene, das jetzt alle Zuwendung braucht, um zu überleben, da das Geschwisterkind, meist noch Kleinkind, dass nicht versteht, warum Mutter oder Vater plötzlich so selten und irgendwie auch weniger intensiv da ist.
Die Situation einer frühgebärenden alleinerziehenden Mutter will ich mir gar nicht vorstellen.
Frühchen
Diese Erfahrungen nehmen alle Beteiligten im besten Fall mit in das weitere Familienleben, das auch seine Beschwernisse beinhaltet.
Wenn das frühgeborene Kind endlich nach vielen Wochen und manchmal Monaten nach Haus ‚mitgenommen‘ werden darf, ist das ein großes Glück. „Wir haben es geschafft.“ ist der erste Denkreflex. Darauf haben wir lange gewartet.
Zuhause treten dann schnell neue Gedanken in der Vordergrund. Plötzlich ist man mit dem immer noch zerbrechlichen Kind alleine. Kein Pfleger, keine Pflegerin, keine Ärztin und kein Arzt, den man fragen kann und der für einen die Verantwortung trägt.
Vielleicht trägt das Kind einen Monitor zur Überwachung der Lebensfunktionen. Diese sinnvollen Helferlein schlagen immer mal wieder Alarm, weil ein Kontakt verrutscht ist. Das bedeutet Panik pur für Eltern. Puls auf 210, Hektik, dann Erleichterung. Wenn es nachts passiert: An Schlaf ist erst mal nicht zu denken.

Nach diesen ersten Monaten fangen die ganzen Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Untersuchungen und Förderangebote an, Raum zu greifen. Die ausgewogene Balnce zwischen übertrieben viel und nachlässig wenig ist für Eltern nicht zu finden. Man hinterfragt immer wieder, wenn man ein Angebot wahrnimmt oder eben nicht.

Und auch Jahre später noch wird in vielen Lebenssituation des Kindes die Betrachtung auf die Frühgeburtlichkeit gelenkt, ob berechtigt oder nicht.
Dabei möchte man doch eigentlich nur ganz normal ein ganz normales Kind aufwachsen sehen.

Denn genau das ist dein Frühchen: ein ganz normales Kind, mit dem du lachst und weinst und das dich mit Glück beschenkt.

(1) BQS-Länderauswertung Geburtshilfe 2014

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