„Die Geister, die er rief“ – Bürgerbegehren um Ratsverkleinerung

Frei nach Goethes Zauberlehrling könnte man meinen, das Bürgerbegehren, das Pro Mittelstand initiiert, fällt Hamminkelns Bürgermeister Romanski nun auf die Füße.

„Die ich rief, die Ratsverkleinerung, werd ich nun nicht los.“

Nachdem im Kreistag Wesel und in mehreren kreisangehörigen Kommunen eine Verkleinerung von Kreistag bzw. Räten auf den Tagesordnungen stand bzw. darüber diskutiert wurde, ist Hamminkeln einen Schritt weiter, hat eine Verkleinerung abgelehnt und damit das Bürgerbegehren provoziert.


Vor der Überlegung, was da überhaupt beschlossen werden soll oder eben nicht, muß man sich mit der Ursache und den Auswirkungen der plötzlich eingebrachten und hektisch übers Knie gebrochenen Anträge beschäftigen.

Die sogenannten etablierten Parteien versuchen seit langem und wiederholt, kleine Parteien und Wählervereinigungen aus den kommunalen Vetretungen heraus zu halten.
Nach dem ersten (einfach-gesetzlichen) Versuch in den 90er Jahren, der 1999 gekippt wurde, hat der Landtag NRW mit den Stimmen von SPD, GRÜNE und CDU in 2016 eine 2,5%-Hürde für Kommunalwahlen in die Landesverfassung eingebracht. Gegen diese Sperrklausel klagten mehrere Parteien (unter anderem der Landesverband NRW der Piratenpartei) und Wählervereinigungen vor dem Landesverfassungsgericht NRW und bekamen Recht.

Noch am Tag der Urteilsverkündung und noch im Gebäude des Verfassungsgerichtshofs diskutierten die Befürworter der Sperrklausel die verbliebenen Möglichkeiten und benannten dabei das Auszählverfahren und die Möglichkeit, die kommunalen Vertretungen zu verkleinern und so eine natürliche Hürde gegen die ‚Kleinen‘ zu errichten.

Argumentiert wird von den Befürwortern einer Sperrklausel stets mit der Zersplitterung der Räte und mit der damit einhergehenden größeren Belastung der Mandatsträger durch mehr Anträge und längere Sitzungen sowie mit Randthemen, die von Ein-Themen-Parteien eingebracht würden. So werde die Handlungsfähigkeit der Räte behindert.

Abgesehen von sehr wenigen großen Städten mit großen Stadträten treffen die vorgebrachten Behauptungen jedoch nicht zu. Auf den unbewiesenen Charakter der behaupteten Argumente stützt auch der Verfassungsgerichtshof sein Urteil wesentlich.

Zurück zu den von den Befürwortern erwogenen Möglichkeiten, die kleinen Parteien aus den kommunalen Vertretungen heraus zu halten.

Das bei den Kommunalwahlen in NRW verwendete Auszählverfahren Sainte-Laguë bevorteilt tendenziell weder ‚kleine‘ noch ‚große‘ Parteien. Im Einzelfall kann es durch das Rundungsverfahren jedoch dazu kommen, dass eine Partei / Wählervereinigung einen Sitz erringt, obwohl sie bei rein arithmetischer Betrachtung nicht die nötige Zahl der Wählerstimmen gewonnen hat. Das Auszählverfahren zu ändern war der erste spontane Gedanke der Sperrklausel-Befürworter.
Nun haben sich in den letzten Jahren mehrere Länder und auch der Bund gerade für Sainte-Laguë entschieden und vorher eingesetzte Auszählverfahren wie Hare/Niemeyer oder d’Hondt durch Sainte-Laguë ersetzt, weil dieses eben die Erfolgswertgleicheit der Wählerstimmen am besten erfüllt.
Die Idee, den Hebel ‚Auszählverfahren‘ zu nutzen, scheint also keine gute zu sein. Wer diese Idee propagiert, setzt sich dem Vorwurf aus, nicht die beste Stimmenrepräsentanz, sondern bestimmte Parteieninteressen fördern zu wollen.

Eine weitere Möglichkeit, die ‚Kleinen‘ rauszuhalten, ist die Verkleinerung der Sitzzahl. Hierdurch ergibt sich trotz theoretisch gerechtest-möglichem Auszählverfahren eine höhere natürliche Hürde für das Erringen eines Sitzes.
Das Wahlrecht gibt einen Spielraum für die Zahl der zu wählenden Mandatsträger kommunaler Vertretungen vor und ermöglicht so in den meisten Fällen eine Verkleinerung der Räte, da die Zahl der Ratsmitglieder in den wenigsten Kommunen die Mindestzahl beträgt. Der Spielraum, den das Wahlrecht lässt, ist begründet in der Verschiedenheit der Gemeinden, insbesondere in der Verteilung der Wahlberechtigten auf beispielsweise Ortsteile und damit im Zuschnitt der Wahlbezirke, deren Anzahl letztlich die Größe der kommunalen Vertretung bestimmt.
Einfach ausgedrückt: jeder Ortsteil soll gemäß seines Bevölkerungsanteiles gleich und gerecht repräsentiert werden.
Dieser Aspekt der Ausgewogenheit der Repräsentanz der Ortsteile muss gemeinsam mit dem Aspekt der Stimmrechts-Wertgleichheit jeder einzelnen Stimme bei der Betrachtung der möglichen Größe der kommunalen Vertretung die erste Priorität und das höchstgewichtete Argument sein, wenn demokratische Grundregeln der wirkliche Hintergrund von Überlegungen zur ‚idealen‘ Größe kommunaler Vertretungen sind. Jede Abweichung von einem demokratietheoretisch idealen und gerechten Wahlbezirkszuschnitt braucht sehr starke Argumente, um gerechtfertigt werden zu können.
Gründe wie mangelnder Nachwuchs im politischen Ehrenamt, wie sie an einigen Orten tatsächlich vornehmlich von Vertretern der großen Parteien angeführt werden, sprechen der Grundüberlegung (handlungsfähige kommunale Vertretungen zu bewirken) Hohn und zeigen deutlich auf, dass weniger die größere Zahl politischer Bewerber (Parteien/Wählervereinigungen) als vielmehr der personelle Aderlass der traditionell vertretenen Parteien ursächlich für die befürchtete Handlungsunfähigkeit von Räten und Kreistagen ist.

So betrachtet ist es auch für manche kleine Partei / Wählervereinigung von Vorteil, wenn die Zahl der Wahlbezirke verringert wird. So sinkt die Zahl der benötigten Kandidaten, um alle Wahlbezirke zu besetzen und damit steigt die Chance auf ein besseres prozentuales Gesamtergebnis und somit auf mehr Mandate über die Reserveliste.

Allen parteipolitisch und wahltaktisch motivierten Versuchen, die Größe der kommunalen Vertretungen zu verändern, ist aus demokratischen Überlegungen entgegen zu halten:
„Stopp, so nicht! Ihr schwächt um euren Machterhalt willen die Demokratie.“

Die Überlegung, mit Hilfe von Ratsverkleinerungen bestimmte Parteien aus den kommunalen Vertretungen herauszuhalten, ist in sich undemokratisch.
Den Befürwortern einer solchen Vorgehensweise muss man empfehlen:
Legt die Rechenschieber zur Seite und macht gute und bürgernahe Politik.

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